Am 28. und 30. Juni finden die Hauptversammlungen der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG und der Porsche Automobil Holding SE statt. Bekanntermaßen sind beide Unternehmen Teil des Volkswagen-Konzerns und, wenig erstaunlich, teilen mit der Konzernmutter VW massive Defizite bei Corporate Governance.
Diese Defizite waren bei der VW-Hauptversammlung im Mai bereits Gegenstand heftiger Kritik, nicht nur aus dem Mund der Gastautoren dieses Beitrags, sondern auch von Sprechern der führenden Fonds-Häuser DWS, Deka und Union. Bei den aktuellen Hauptversammlungen von Porsche AG und Porsche SE wird sich dies wiederholen. Denn nur gute Corporate Governance führt dauerhaft zu höheren Aktienkursen durch bessere Möglichkeiten für Aktionäre, ihre Rechte gegenüber der Verwaltung wahrzunehmen.
Beide Unternehmen wollen eine nur minimale Mehr-Dividende auf ihre Vorzugsaktien zugestehen. Das vorgeschlagene Mehr-Entgelt für das gegenüber den Stammaktien fehlende Stimmrecht beträgt nur ein Prozent (Porsche AG) beziehungsweise sogar nur 0,03 Prozent (Porsche SE). Marktüblich wären aber 10 Prozent. Diese Benachteiligung der Vorzüge ist eklatant. Die Satzungen der Gesellschaften sollten so geändert werden, dass die Dividende für die stimmrechtslosen Vorzugsaktien jeweils 10 Prozent mehr als die jeweils vorgeschlagene Stammaktien-Dividende beträgt.
Zur Person
Christian Strenger ist Professor für Corporate Governance, war zuvor Chef der Fondsgesellschaft DWS, Aufsichtsrat in mehreren Dax-Konzernen und Gründungsmitglied der Regierungskommission Corporate Governance Kodex.
Marc Liebscher ist Rechtsanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Kanzlei Dr. Späth & Partner und Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK).
Zudem ist den Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2022 die Entlastung zu verweigern. Die für die Gesellschaft entscheidend wichtige Volkswagen AG hat durch heute noch amtierende Mitglieder bereits 2017 gegenüber dem US-Justizministerium zugegeben, das Regelsystem der Diesel-Modelle jahrelang gesetzwidrig manipuliert zu haben. Ungeachtet dessen aber versucht bis zum heutigen Tag die Verwaltung ihre Verantwortung hierfür auf Untergebene abzuwälzen. Auch die seit Jahren den Aktionären versprochene volle Transparenz ist nur ein leeres Versprechen geblieben, da weiterhin die Untersuchungsergebnisse der Kanzlei Jones Day den Aktionären vorenthalten werden.
Aber: Durch die kürzlichen Geständnisse des früheren Audi-Chefs Rupert Stadler und des früheren Porsche-Vorstands und im VW/Porsche-Konzern langjährig für die Antriebstechnik zuständigen Wolfgang Hatz ist jetzt für alle offensichtlich geworden: Die Verantwortung für den Diesel-Skandal liegt in der oberen Vorstandsebene. Somit haben Vorstand und Aufsichtsrat auch 2022 ihre Pflicht verletzt, für eine umfassende und transparente Aufklärung der Diesel-Affäre zu sorgen.
Ausbildungsbetrieb für die Eigentümerfamilien
Bei der Porsche SE setzt sich darüber hinaus die unsägliche Tradition fort, wesentliche Positionen im Unternehmen als Ausbildungsbetrieb für die Familien Porsche oder Piëch zu verstehen. So soll die 29-jährige Sophie Piëch, Doktorandin im Bereich Krebsforschung, in den Aufsichtsrat gewählt werden. So begrüßenswert es ist, eine Frau in den Aufsichtsrat zu wählen, so erschließt sich leider nicht, dass die Kandidatin die erforderlichen Voraussetzungen für die Verfolgung der Unternehmensinteressen zur Wahrung der Interessen aller Aktionäre erfüllt. Vorgeschlagen wird daher Herrn Dr. Stefan Piëch für eine weitere Amtsperiode zu wählen, der über Aufsichtsratserfahrung verfügt und selbst als Unternehmer tätig ist.
Bei der Porsche AG ist ferner das vorgeschlagene System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder abzulehnen. Dies ergibt sich zum einen aus der doppelten CEO-Rolle von Oliver Blume für die Volkswagen AG und die Porsche AG. Als Diener zweier Herren unterliegt Blume einer offensichtlichen Interessenkollision, weigert sich aber beständig, diese anzuerkennen. Die Kollision ist schon durch die Gewährung des ihm in 2022 eingeräumten Porsche-IPO-Bonus ein unlösbares Problem. Die Autoren strengen dazu auch eine Sonderprüfung an. Diese soll die Richtigkeit von der Porsche AG gewährten Sonderbonus überprüfen. Dieser Bonus incentivierte Blume für einen möglichst niedrigen Emissionspreis der Porsche-AG-Aktien. Letzterer bedeutete aber zugleich eine substanzielle Schmälerung des VW-Konzernvermögens.
Im neuen Vergütungssystem ist darüber hinaus die notwendige Erfüllung der ESG-Ziele nur im kurzfristigen, variablen (also einjährigen) Bonus verankert. Die Qualität der heute so wichtigen Verfolgung von ESG-Zielen lässt sich aber nicht angemessen im einjährigen Turnus feststellen. Das Thema ESG muss daher entscheidend im langfristig variablen Bereich des Vergütungssystem angesiedelt sein, statt dort nur den Gewinn pro Aktie als Anreizkriterium vorzugeben.
Wieder einmal ist zu festzuhalten: Deutschlands größter Automobilkonzern und die Familien Porsche und Piëch leisten dem deutschen Kapitalmarkt einen Bärendienst. Sie sollten endlich mit einer besseren Corporate Governance Ernst machen.
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